Von Sabrina Hage
Da saß ich nun. Meine Tochter war bereits sechs Monate alt und so langsam kam in mir ein merkwürdiges Gefühl hoch. Ich hatte mich das letzte halbe Jahr um nichts anderes gekümmert als um Baby und Haushalt. Mein Mann hatte bereits nach der Geburt einen Monat Elternzeit genommen, sodass er seit nun fünf Monaten wieder seinem gewohnten Alltag nachgehen konnte. Für mich fühlte sich dieser neue Alltag irgendwie befremdlich an.
Ich war schon immer ein aktiver Typ Frau, ständig unterwegs und zuhause pflegte ich unsere Wohnung gern ordentlich. Das gab mir irgendwie ein befreiendes Gefühl. Jetzt, mit Baby war das anders. Meine Ordnung vernachlässigte ich schon seit Wochen. Anfangs hatte ich noch versucht, meinen Gewohnheiten weiter nach zu gehen aber irgendwann hat es mich so unter Druck gesetzt, dass ich an vielen Stellen nachgeben musste.
“Ein ordentliches Make-Up hatte ich seit Monaten nicht mehr getragen. Auch meine Kleiderauswahl war eher Jogginghose, und das Tag und Nacht.”
Auch was mich als Frau betrifft. Ein ordentliches Make-Up hatte ich seit Monaten nicht mehr getragen. Auch meine Kleiderauswahl war eher Jogginghose, und das Tag und Nacht. Klar, die Corona-Situation hatte ihren Rest noch dazu beigetragen, aber im Gesamten machte mich die Situation oft nicht glücklich. Ich fühlte mich nicht mehr als eigenständige Person, sondern lediglich als Ernährerin und Putzfrau.
“Dieses Mama-Rad setzte mir wirklich zu. Dadurch, dass ich meine Tochter voll stillte, kam ich wenig dazu, das Haus zu verlassen.”
Natürlich liebte ich meine Tochter und meine Familie über alles. Wir hatten uns auch bewusst für ein Kind entschieden, aber es war doch härter als gedacht. Der graue Januar tat sein Übriges. Dieses Mama-Rad setzte mir wirklich zu. Dadurch, dass ich meine Tochter voll stillte, kam ich wenig dazu, das Haus zu verlassen. Nicht weil ich es musste, sondern weil ich es wollte. Zugegeben, ich war kein Fan von öffentlichem Stillen, konnte aber hier und da über meinen Schatten springen, wenn notwendig.
“Als wir nach zehn Monaten einvernehmlich unsere Stillbeziehung beendeten, öffneten sich für mich neue alte Türen.”
Als wir nach zehn Monaten einvernehmlich unsere Stillbeziehung beendeten, öffneten sich für mich neue alte Türen. So konnten mein Mann und ich uns beispielsweise mit dem ins Bett bringen abwechseln und ich erlangte auch am Tage vereinzelt Freiheiten zurück. Mein großes Laster in meiner Vor-Baby-Zeit war Shopping und Bummeln. Völlig unbeschwert. Nun wollte ich mich nach dieser langen Stillzeit irgendwie belohnen und verabredete mich für einen ganzen Tag zum Shoppen.
“Ich fühlte mich hübsch, stark und selbstbewusst. Eigenschaften die ich lange nicht mehr gefühlt hatte.”
Ich war total aufgeregt. Was ziehe ich bloß an? Welche Handtasche nehme ich mit – ohne Spucktücher, Windeln, etc.? Ich freute mich wie ein kleines Kind und muss gestehen, dass mein Outfit an diesem Tag eher overdressed war. Es war mir in dem Moment völlig egal. Ich fühlte mich hübsch, stark und selbstbewusst. Eigenschaften die ich lange nicht mehr gefühlt hatte, da ich sehr selbstkritisch und selten zufrieden mit mir bin. An diesem Tag war ich es.
“Mein Mann versorgte mich regelmäßig mit Statusberichten der Kleinen, sodass ich kein schlechtes Gewissen verspürte.”
Die Stunden verflogen nur so, an Zuhause dachte ich kaum. Mein Mann versorgte mich regelmäßig mit Statusberichten der Kleinen, sodass ich kein schlechtes Gewissen verspürte. Es war ein so unbeschreibliches Gefühl, diese Freiheit zu spüren und auszuleben. An mich selbst zu denken ohne Reue. Dieser Ausflug gab mir unheimlich viel Kraft und Selbstbewusstsein zurück, auch mal an sich zu denken und das auch einzufordern. Ich nahm mir ab jetzt regelmäßig vor, öfter an mich zu denken. Es reichen schon die kleinen Dinge, ein heißes Bad, ein gutes Buch lesen oder einfach die Fingernägel hübsch lackieren. Sich selbst als Frau fühlen und es auch ausleben zu können ist so enorm wichtig im Mama-Alltag. Es gibt neue Energie um den alltäglichen Wahnsinn zu meistern.
Über Sabrina:
Sabrina ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat eine 19 Monate alte Tochter. Wenn sie nicht gerade als Pflegeberaterin in einem Krankenhaus arbeitet, ist sie gern draußen, geht schwimmen oder in die Sauna.
Photocredits: Sasha Freemind, Unsplash