Ich und mein dauerdenkendes Hirn

Von Gastautorin Sabrina Hage

Der Wecker klingelt um 05:20 Uhr. Kaum habe ich mich nochmal genüsslich im Bett gestreckt, beginnt mein Tag bereits in meinem Kopf. Ich versuche schon seit Langem, den Gedanken morgens keinen Raum zu geben. Eine Zeit lang klappte das mit einer kleinen morgendlichen Meditationsübung. Warum hatte ich damit eigentlich aufgehört?

Während ich unter der Dusche stehe, springen meine Gedanken von Thema zu Thema. Nicht selten beginne ich bereits da schon gedanklich über die Arbeit nachzudenken. Total absurd, ich kann jetzt in diesem Moment nichts beruflich ausrichten und doch denke ich daran.

Während ich die Spülmaschine ausräume, plane ich gedanklich bereits den Nachmittag mit meiner Tochter und zeitgleich überlege ich noch, was es heute zum Abendessen gibt.

Warum ist dieses Mental Load Ding eigentlich so ein häufiges Frauenproblem? Wo kommt es her und wieso habe ich es mir „angeeignet“?

Meine Eltern hatten eine klassische Rollenverteilung. Mein Vater war ganztags berufstätig und meine Mutter arbeitete in Teilzeit, um sich um mich und meine beiden anderen Geschwister zu kümmern. Ich hatte früher nie das Gefühl, dass meine Mutter diese Rollenverteilung ungern auf sich genommen hat. Ganz im Gegenteil. Es war normal, dass der Vater als Verdiener der Familie den ganzen Tag arbeitet und mit dem Rest des Familienlebens im Alltag wenig am Hut hat. Heute sieht sie das anders. Wenn wir über vergangene Zeiten sprechen, wird doch klar, dass sie auch gerne eine andere Rolle eingenommen hätte. Das klassische Rollenmodell wurde an die beiden durch ihre eigenen Eltern ebenfalls weitergegeben.

Ich habe das Mental Load Ding also ganz klassisch in meiner Kindheit von meinen Eltern „gelernt“. Es wurde einfach so von Generation zu Generation weitergegeben. Das Thema beschäftigt mich seit der Geburt unserer Tochter viel intensiver als vorher. Als wir noch kinderlos waren, waren es lediglich ein paar gemeinsame Termine (die aber jeder in den Kalender eingetragen hat) und gefühlt ein bisschen Haushalt, den ich locker nebenbei erledigen konnte. Von Mental Load war ich meines Erachtens weit entfernt. Belächelt habe ich das Thema.

Ein paar Jahre später, mit Kind, sehe ich das Thema aus einem anderen Blickwinkel. Während meiner Elternzeit war es meine  – mir selbst auferlegte Aufgabe – mich um den Haushalt zu kümmern und alle Familientermine zu koordinieren. Es hatte mich niemand darum gebeten. Es wurde einfach zum Selbstläufer und ich gab meinem Mann auch dadurch kaum die Möglichkeit, mir irgendeinen Punkt auf meiner gedanklichen Liste abzunehmen. Zumal diese Liste nirgends dokumentiert war. Ich wollte einfach auch andere Aufgaben übernehmen als Wickeln, Stillen und mich mit anderen Müttern über diese Themen auszutauschen.

Die Situation änderte sich, als ich nach der Elternzeit zurück ins Berufsleben gegangen bin. Die Doppelbelastung zerrte schon ziemlich an meinen Nerven. Ich hatte eine 30-Stunden-Woche im Büro, und „musste“ dann noch alles für das Privatleben managen. Ich musste hier für mich erkennen, dass ich nicht alles alleine schultern kann. Meinem Mann war meine Belastung überhaupt nicht bewusst, da ich mich nie beklagte oder ihn bat, mich zu unterstützen. Es war immer alles durch mich sofort erledigt.

Mittlerweile bitte ich meinen Mann, mich zu unterstützen und gebe ihm auch die Möglichkeit, mir Arbeit abzunehmen. Zusätzlich musste ich mich davon frei machen, dass der Fußboden auch mal nicht gesaugt ist und die Fingerabdrücke ein paar weitere Tage am Fenster verweilen.

Es sollte in der heutigen Zeit nicht mehr normal sein, dass wir Frauen automatisch alles schultern und eigentlich unter der Last zusammenbrechen. Kommunikation ist beim Mental Load alles! Ich kann jeder/jedem Betroffenen nur dazu raten, die Thematik ganz offen zu kommunizieren.

Mir hilft es wahnsinnig, wichtige Termine und Gedanken (Einkaufsliste, Arzttermine, …) in eine App einzutragen, sodass wir beide wissen, was ansteht. Meditation hat mir eine gewisse Zeit sehr geholfen, meine Gedanken zu sortieren und unnötige Gedanken rauszuschmeißen. Damit werde ich in naher Zukunft auch wieder starten.

Ich habe in einem Artikel gelesen, dass 90% der Gedanken eigentlich unwichtig sind und man sich nach kurzer Zeit nicht mehr daran erinnern kann. Das meiste meiner Gedanken ist also völlig unnötig und macht mir zu Unrecht das Leben schwer. Auch hier muss ich weiter lernen, meine Gedanken zu kontrollieren und mich vom Ballast frei machen.

Jetzt würde mich mal interessieren – wie ist das bei euch mit dem Mental Load?

 

Über Sabrina:

Sabrina ist 34 Jahre alt, verheiratet und hat eine 19 Monate alte Tochter. Wenn sie nicht gerade als Pflegeberaterin in einem Krankenhaus arbeitet, ist sie gern draußen, geht schwimmen oder in die Sauna.

 

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Photocredits: L B via Unsplash