Die häufigsten 3 Unfälle im Haushalt und wie Eltern richtig reagieren können

Von Gastautorin Annalena Dehe

Neulich ging es mir mal wieder durch den Kopf. “Zuhause im Alltag mit Kindern gibt es nichts, was nicht passieren kann.”

Leider ist es so, dass meist eine klitzekleine unglückliche unvorhersehbare Situation ausreicht und schon ist es passiert und man hört entweder mit oder ohne Begleitgeräusch sein Kind laut aufschreien oder weinen.

Die häufigsten 3 Unfälle im Haushalt sind Verbrennungen und/oder Verbrühungen, Verschlucken von Nahrung/ Kleinstteilen und Sturzereignisse mit oder ohne Kopfverletzungen.

Hier schildern wir euch kurz, wie ihr jeweils bestmöglich im Notfall reagieren könnt.

1. Verbrennungen/Verbrühungen

In den meisten Fällen kommt es zu Verbrennungen im Kopfbereich sowie im darunter liegenden Halsbereich und Brustkorb, weil Kinder nach heißen Getränken ihrer Eltern greifen oder versehentlich auf dem Tisch umstoßen. Eine der größten Gefahrenquellen in der Küche ist interessanterweise nicht etwa der Backofen, sondern ganz banal herabhängende Kabel von Wasserkochern.

Wie kann man in solch einem Fall bestmöglich Erste Hilfe leisten?
Neben bestenfalls der zeitgleichen Alarmierung des Rettungsdienstes (z.B. durch eine weitere Person) sollte man in diesem Fall die betroffene Körperstelle sofort entkleiden und mit lauwarmem Wasser (ca. 20°C “warm”) kühlen. Man sollte niemals mit Eiswasser oder zu kaltem Wasser kühlen und auch nicht länger als 10-15min, da es insbesondere bei Kleinkindern sehr schnell zum Auskühlen mit sogar irreversiblen Folgeschäden kommen könnte. Die Wunde sollte im Anschluss mit einem sauberen Tuch abgedeckt werden. Auf keinen Fall sollten diverse Hausmittelchen wie Öle oder Salben auf Verbrennungswunden aufgetragen werden.

2. Verschlucken (sog. Aspiration) von Nahrung und Kleinstteilen

Säuglinge und Kleinkinder erkunden und ertasten ihre Umwelt mit dem Mund. Jedes Spielzeug wird erstmal an den Mund geführt und bestenfalls (aus Säuglingssicht) komplett in den Mund gesteckt. Besonders bei gleichzeitig im Haushalt lebenden größeren Geschwisterkindern muss man daher z.B. insbesondere auf Spielzeugteile achten und auch ohne Geschwisterkinder sollte man auch immer die entsprechenden Sicherheitshinweise für Spielsachen beachten. Dazu zählen nicht nur Altersempfehlungen, aber auch CE-Kennzeichnung, sowie Schadstofffreiheit oder auch das DIN-Zertifikat.

Als Faustregel für Spielsachen kann man sich mit Hilfe der Finger-Daumen-Regel merken: Spielsachen, die durch den geschlossenen Zeigefinger und Daumen passen, sind zum Spielen für Kleinkinder nicht geeignet.

Ein gefühlt ganz anderes und doch so verwandtes Thema ist beim Beikostbeginn das Verschlucken von Nahrungsmitteln. Hier sollte man ebenfalls ein paar Dinge beachten. Zum einen sollte das Kind nicht nur beikostreif sein, sondern auch nach Möglichkeit in aufrechter Position mit Stütze unter den Füßen sitzen. Verschlucken/Ersticken kann stumm sein, daher solltet ihr euer Kind immer beim Essen beaufsichtigen und nur eine Armlänge entfernt sein. Auch bei der Auswahl von Lebensmitteln spielt bei der Beikosteinführung eine wichtige Rolle. Hierbei sollte man zu Beginn auf folgende Nahrungsmittel (jedenfalls in der “ganzen” Form) verzichten. Dazu zählen kleines Obst wie Heidelbeeren oder Weintrauben, aber auch kleine Tomaten, Nüsse oder auch z.B. rohe Karottenstücke.

Außerdem solltet ihr wissen, wie ihr bei eurem Kind bei Verschlucken im schlimmsten Fall Erste Hilfe leisten könnt. Daher empfehlen wir jeden Neu-Eltern oder denjenigen, die es werden wollen, einen Erste-Hilfe-Kurs für Baby- und Kindernotfälle mit praktischen Übungen.

Bei der Ersten Hilfe beim Verschlucken von Nahrung oder Kleinteilen unterscheidet man zwei verschiedene Manöver in Abhängigkeit des Alters des Kindes.

Beim Heimlich-Maneuver (Kind > 1 Jahr alt) steht/kniet ihr euch hinter das Kind, ballt die Faust und platziert diese mittig zwischen Bauchnabel und dem Unterrand des Brustbeins. Diese Faust wird dann von der anderen Hand umschlossen und zieht diese dann kräftig nach innen oben. Das wiederholt man dann 5 Mal. Durch den Druckaufbau im Brustkorb wird dann in der Theorie der Fremdkörper mobilisiert und kann dann einfach abgehustet oder erbrochen werden.

Bei Babys und Säuglingen (< 1 Jahr) wendet man aufgrund der Unreife der Haltemuskulatur des Kopfes ein anderes Verfahren an. Hier wendet man bei dem auf dem Schoß oder Unterarm halbsitzenden Säugling bis zu 5 kräftige Schläge auf die Mitte des Rückens zwischen die Schulterblätter an. Diese sollten in einer fließenden Bewegung von unten nach oben im Wechsel mit Kompressionen des Brustkorbs. Wichtig ist hier, dass bei der Applikation der Schläge auf den Rücken der Kopf des Säuglings durch eine Hand gestützt werden muss, indem man ihn am Kieferwinkel festhält. Wichtig: man sollte auf keinen Fall auf den Hals drücken, da dies zu einer weiteren Behinderung der Atemwege führen könnte.

3. Sturzereignisse

Die Reichweite von Kindern vergrößert sich nahezu täglich mit der sich stetig entwickelnden Verbesserung der motorischen Fähigkeiten. Und mit der neu gewonnenen Motorik steigt auch die ohnehin schon nicht zu bändigende Neugierde. Sobald sie es können, ziehen sich Kinder an Möbeln hoch und versuchen an diesen hochzuklettern. Da der Gleichgewichtssinn aber noch nicht so gut ausgeprägt ist, kommt es aufgrund dessen aber auch aufgrund des ungünstigen Kopf-Körper-Verhältnisses auf Seiten des Kopfes schneller zu Stürzen mit oder ohne Kopfanprall.

In den meisten Fällen kommt es hierbei zu Bagatellverletzungen mit Ausbildung von Blutergüssen, Beulen und Prellungen. Diese können dann kurzzeitig mit einer z.B. kühlschrankkalten Kühlkompresse gekühlt werden und bedürfen keiner weiteren Therapie. Wichtig ist, dass man sein Kind im Anschluss an ein Sturzereignis (insbesondere mit Kopfanprall) immer gut beobachtet und auf sog. Warnsignale achtet. Dazu zählen u.a. Erbrechen, auffälliges (z.B. schrilles) Schreien, neurologische Symptome wie Krampfanfälle nach einem Sturz, aber auch unterschiedlich große Pupillen, ein schläfriges Kind, aber auch z.B. eine Fallneigung zu einer Seite.

Bei einem Sturzereignis am Abend, z.B. ein Treppensturz mit Kopfanprall, solltet ihr immer euer Kind in einer Kindernotaufnahme vorstellen, da ihr zuhause im Schlaf euer Kind nicht ausreichend beobachten/einschätzen könnt. Bei Stürzen aus großer Höhe, die als doppelte Körpergröße definiert ist, also z.B. der Klassiker: Der Sturz von der Wickelkommode. In diesem Fall sollte man sein Kind immer ärztlich vorstellen.

Unfälle mit kleinen Kindern passieren, das lässt sich leider nicht immer vermeiden. Bei Ankunft eines neuen Familienmitgliedes sollte man immer alle möglichen Gefahrenquellen in den eigenen 4 Wänden detektieren und diese z.B. durch Kindersicherungen beheben.

Dieser Beitrag ersetzt keine ärztlichen Behandlungen, er dient lediglich der Information.

Über Annalena:

Ich komme ursprünglich aus Tübingen und bin zum Medizinstudium nach Berlin gezogen. Hier habe ich Lukas kennengelernt. Wir sind seit ein paar Jahren verheiratet und mittlerweile auch Eltern von wunderbaren Zwillingen, die uns ordentlich auf Trab halten. Ich bin Fachärztin für Innere Medizin, Notärztin und langjährige Dozentin für notfallmedizinische Themen. Aktuell arbeite ich an einer der größten deutschen Unikliniken in Berlin. Notfallmedizin ist ein Herzensprojekt von mir. Und das hört auch nach der Arbeit nicht auf. So bekomme ich regelmäßig Fotos von befreundeten Eltern, die mich nach einem ärztlichen Rat zu kleineren oder größeren Notfällen bei ihrem Baby oder Kind fragen. Das war auch einer der ausschlaggebenden Gründe, warum wir 12minutes gegründet haben. Mir ist es wichtig, dass wir unser Notfall-Wissen nicht nur an befreundete Eltern weitergeben können, sondern damit viel mehr Menschen erreichen und ihnen helfen können.

Über 12minutes:
● In Deutschland dauert es im Schnitt 12 Minuten bis der Rettungsdienst eintrifft
● Um Eltern die Fähigkeiten zu geben, in diesen 12 Minuten effektiv zu helfen, haben Dr. med. Annalena Dehé und Dr. med. Lukas Dehé 12minutes gegründet
● Als Eltern von 3-jährigen Zwillingen und Notärzte (u.a. Rettungshubschrauber) ist Erste Hilfe eine Herzensangelegenheit für Annalena und Lukas
● Erste Hilfe bei Babys und Kindern unterscheidet sich stark von Erster Hilfe bei Erwachsenen. Daher gibt es auch bei Eltern, die einen Erste-Hilfe-Kurs z.B. im Rahmen des Führerscheins absolviert haben, noch viel Wissensbedarf
● Bestehende Angebote von Erste-Hilfe-Kursen sind entweder offline (unflexibel, einmalig) oder online (keine praktische Übung)
12minutes und die innovative Notfallübungspuppe vereint praktische Übung und Theorie und macht das Lernen von Erster Hilfe bequem von zu Hause, flexibel und regelmäßig wiederholbar möglich
● Die 12minutes GmbH wurde im Mai 2022 gegründet und bietet ab November 2022 die Notfallübungspuppe mit Videokurs an

 

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Fotocredits: www.12minutes.de